Durch die Karnischen Alpen ins Soca Tal

Karnischen Alpen – das hat in meinen Ohren einen guten Klang. Und davon, dass das Soca Tal schön ist, konnte ich mich vor mehr als zehn Jahren schon überzeugen.
Also könnten wir doch durch die Karnischen Alpen fahren und in einem Schlenker das Soca Tal mitnehmen bevor wir in Österreich wieder in den Zug steigen.

Das Gute an dieser Tourenidee ist, dass man ohne Probleme mit der Bahn wieder zurück zum Auto kommt. Die Verbindung Bruneck – Villach springt einem ja direkt ins Auge.

Transalp 2018

397 km, 11.995 Höhenmeter, 12.879 Tiefenmeter
10 Fahrtage, 1 Ruhetag, 13 Pässe, davon 4 über 2000 m

Höchster Pass: Leckfeldsattel 2381m

5.- 14. August 2018 – mit Manfred, Michael und Roman

Der Tourverlauf durch die Karnischen Alpen ins Soca Tal
Tourverlauf – Durch die Karnischen Alpen ins Soca Tal
Das Höhenprofil der Alpenüberquerung durch die Karnischen Alpen
Höhenprofil – Durch die Karnischen Alpen ins Soca Tal

Anreise

Wir sind in bewährter Manier schon gestern mit dem Auto nach Toblach angereist und haben uns im Hotel Tschurtschentaler einquartiert. Die Wirtin erlaubt uns das Auto ganz in der Nähe zu parken und so können wir gleich nach dem Frühstück losfahren.

Hotel Tschurtschenthaler
Viale S. Giovanni, 22
39034 Dobbiaco
+39 0474 972477

1. Tag

34,98 km – 1751 hm – 1089 hm tief – 6:48 Std in Bewegung
Toblach 1220m – Leckfeldsattel 2381m – Kniebergsattel 2325m – Rifugio Rinfreddo 1883m

Vom höher gelegenen Toblach geht’s hinunter zur Bahnstrecke und kaum losgefahren, zwingt uns ein Schießstand im Wald dazu, den Wanderweg 28A zu verlassen, und stattdessen auf dem Pustertalradweg in´s sechs Kilometer entfernte Innichen zu rollen. Von hier aus geht es dann lange nur noch hoch. Es ist steil. Die Rampen haben 16 % Steigung, dann wird es etwas flacher und schon kommt die nächste Steile 16 % Rampe. Und auf diese Weise geht es immer weiter hoch. Zu Anfang fahren wir noch, aber bald ist der Weg entweder zu steil, oder der Untergrund ist zu grob. Und weil wir nicht wissen können welche Anstrengung uns heute noch erwartet, gehen wir sparsam mit unserer Kraft um.

Blick hinüber zu den Sextener Dolomiten
Blick in die Sextener Dolomiten

Schon vor der Silianer Hütte fahren nur noch wenig. Aber das macht nichts, die Landschaft hier ist beeindruckend und Wert von uns bewundert zu werden.Die Bezeichnungen unserer Wege wechseln zwischen dem „Karnischem Höhenweg“ und dem „Stoneman Trail Dolomiti“ hin und her. Ich habe gelesen, dass der „Karnische Höhenweg“ kaum fahrbar sein soll, jetzt denke ich, dass das auf Teile des Stoneman Trails ebenfalls zutrifft. Jedenfalls scheint er im Bereich nach der Silianer Hütte für uns die schlechtere Wahl zu sein. Der Stoneman Trail nimmt hier jeden Höhenmeter mit, auch wenn der Weg nur mit viel Kraft fahrbar ist.

Für uns ist der höchste Punkt der  Karnischen Alpen erreicht

Wir kommen knapp unterhalb der Hollbrucker Spitze durch, mit über 2500 m der höchste Punkt des Tages – und auch der gesamten Tour. Vorbei an Roteck und Steinmann, erreichen wir den Kniebergsattel. Unter uns liegen zwei Hütten, wir aber müssen noch auf dem 148er Weg das Geröllfeld am Knieberg queren und uns weitere 60 hm hocharbeiten. Zur Belohnung erwartet uns an diesem für heute nun wirklich letzten Höhepunkt eine traumhafte Aussicht.

Ein weiter Blick nach Osten vom Knieberg aus. Mitten in den Karnischen Alpen
Vom Knieberg aus der Blick nach Osten

Nachdem wir uns sattgesehen haben, geht es über einige Kehren, mehr und mehr fahrbar, hinunter zum Rifugio Rinfreddo. Auf dem allerletzten Stück, ab dem Abzweig La Punta, lassen wir es auf der schlecht erhaltenen Pflasterstraße noch einmal richtig laufen. Am Ende des Tages ist diese Abfahrt Herausforderung und Belohnung in einem.

Rifugio Casera di Rinfreddo Comelico Superiore
Località Rinfreddo
32040 Comelico Superiore
+39 328 114 1655

2. Tag

29,64 km – 1291 hm – 1485 hm tief – 5:19 Std in Bewegung
Rifugio Rinfreddo 1883 m – Passo Palombino 2035 m – Agriturismo Malga Dignàs 1676 m

Am nächsten Morgen müssen wir zuerst wieder zum Abzweig La Punta zurück, um dann auf einem Trail 300 hm schön und lange abfahren zu können. Den Monte Spina umfahren wir, ohne ihn zu sehen. An dem Punkt, wo unser 149er-Weg gleichzeitig auf den 148er und den 147er trifft, geht es wieder bergauf.

Michael und ich sind gut im Tritt und wir können nicht glauben, dass unser Weg nach ein paar Hundert Metern schon wieder steil bergab zum Kirchlein des San Lucano gehen soll. Nach kurzem Zögern schicken wir dem Heiligen einen Gruß und fahren weiter bergauf. Ein kleiner Zweifel ist mir aber geblieben, und als ich bei einem erneuten Blick auf mein Navi erkenne, dass wir falsch abgebogen sind, verschwindet Michael gerade um eine Biegung. Dummerweise führt auch dieser Weg nun bergab und ich habe keine Chance, ihn einzuholen. Aber das Wunder geschieht, es kommen zwei E-Biker, welche ihm, auf mein Bitten hin hinterherjagen und ihn zu mir zurückschicken. Selbstverständlich machen wir nun einen Stopp beim Kirchlein und bedanken uns bei San Lucano, der im Übrigen der Schutzheilige der Dolomiten ist.

Auf einem rustikalten Tisch liegen viele Zutaten für eine deftige Brotzeit
endlich gibts mal was zu essen

Es folgt eine lange Schotterabfahrt, welche ganz zuletzt in Asphalt übergeht. Am Abzweig ins Val Melin machen wir Pause, reduzieren unsere Vorräte und machen uns auf den Weg hoch zur Casera Melin.

Ohne Regenzeug geht auch in den Karnischen Alpen nichts

Es ist mit 34 °C brutheis und wir machen an der Casera halt um etwas zu trinken. Draußen gibt es keinen Schatten und wir gehen nach drinnen, obwohl es dort stickig ist. Recht bald machen wir uns bald wieder auf den Weg, queren eine Furt des Rio Melin und fahren auf einem Wiesenweg weiter, bis wir am Waldrand ankommen.

Endlich Schatten. So gut es geht machen wir es uns bequem und versuchen etwas zu schlafen. Lange kann ich noch nicht hier gelegen haben, aber als ich die Augen wieder öffne, sind dunkle Wolken am Himmel. Ich wecke die anderen und wir setzen uns sofort wieder in Bewegung, kommen aber nicht mehr weit.

zwei Biker schieben im Regen ihre Räder hoch zum Passo Palombino
beim Aufstieg zum Passo Palombino hat es uns sauber abgewaschen

Auf einen Schlag schüttet es wie aus Kübeln und auf dem Pfad zum Passo Palombino kommt uns das Wasser als Bach entgegen. So schnell wie er gekommen ist, hört der Platzregen auch wieder auf. Alles rieselt, klitzert, matscht. Zum Pass hoch schieben wir und das letzte Stück im Geröll bei 25 % Steigung ist ein echtes Schmankerl.

Ein interessant aussehender Trail führt auf der anderen Seite in´s Val di Londo hinab. Leider im oberen Teil nur meterweise fahrbar. Die Spur ist stark eingetieft und immer wieder liegen große vom langen Gras verdeckte, Steine darin.

Wo man singt, da lass dich ruhig nieder

Bei der Malga Londo beginnt der Asphalt und es geht immer noch bergab. Erst auf ca. 1450 m endet die Talfahrt und der unvermeidliche nächste Anstieg beginnt. Die Malga Dignas ist heute die einzige Übernachtungsmöglichkeit. Einige Serpentinen über uns können wir sie schon sehen.

drei Mountainbikes stehen am Weidezaun der Malga Dignas
Radlparkplatz an der Malga Dignas

Von hier oben hat man einen schönen Blick hinunter ins Tal und unser 3-Bett-Zimmer ist auch OK. Während wir zu Abend essen, treffen noch zwei italienische Gäste ein, einer spricht ganz gut deutsch, und es wird noch recht lustig. Als die beiden viel später in der Dunkelheit mit Auto und Motorrad ins Tal abfahren, sind Sie schon gut betrunken. Wir sehen ihnen lange nach und hoffen, dass sie unten heil ankommen.

Agriturismo Malga Dignàs
+39-333/939 6950

3. Tag

39,00 km – 1152 hm – 1941 hm tief – 5:28 Std in Bewegung
Agriturismo Malga Dignàs 1676 m – Passo del Roccollo 1815 m – Passo Avanza 1683 m – Forni Avoltri 877 m

Am Morgen führt der Weg erst einmal weiter 300 m höher hinauf. Wir sind jetzt auf einer Variante des Karnischen Höhenwegs und knapp oberhalb der Baumgrenze. Entsprechend weit geht unser Blick. Die Straße wird wellig, bleibt aber meist auf einer Höhe und ist sehr schön zu fahren. Dieser Abschnitt erinnert ein wenig an den Brenner Grenzkamm, auch wenn es hier nicht so spektakulär ist.

ein Mountainbiker fährt auf einer breiten Piste zum Passo Dignas. Im Hintergrund Berge der Karnischen Alpen
entspannte Fahrt Richtung Passo Dignas

Einige Kilometer weiter machen wir an der Malga Chiastellin Pause. Die Malga ist geschlossen, aber man kann sich gut an die Hauswand setzen und ins Tal sehen. Nur ein einzelner Wanderer ist außer uns noch da. Als später seine Gruppe vom Tal her nachkommt,  wird es uns zu laut, Zeit zum Weiterfahren.

Der Sentiero 170, ein wirklich schöner Singletrail, nimmt uns über Waldwege mit. Aber schon bei der Malga Antola wechselt wieder einmal der Belag. Schnell und kurvig geht es nun auf feinem Schotter die Strada del Malghe hinunter. Wir tauchen wieder in den Wald ein und in einem besonders kurvenreichen Abschnitt sieht man noch die Absperrbänder eines MTB-Rennens, hier ging offensichtlich heftig zur Sache.

Bei der Planung von langen Touren ergeben sich oft alternative Streckenführungen. Manchmal gelingt es mir dann nicht, mich für „die beste“ Route zu entscheiden. In diesem Fall lade ich die Variante in einer anderen Farbe auf das GPS-Gerät und wir entscheiden uns vor Ort.

Wenn man keine Wahl hat … jammern hilft auch nicht

Und genau jetzt gab es so eine Variante. Ich habe sie allerdings erst bemerkt, als wir nach rauschender Talfahrt an einer Weggabelung angelangt waren. Wie dem auch sei, wo wir jetzt stehen, gibt es keine Alternative mehr.

Ein kaum erkennbarer Biker kämpft sich, auf dem Weg zum Passo del Roccollo, durch dichtes Unterholz
wir kämpfen uns durch zum Passo del Roccollo

Es bleibt uns nur noch eines: uns auf dem steilen und wirklich anstrengenden Sentiero 136 durch den Wald nach oben kämpfen. Es wird eine üble Schinderei, tatsächlich muss ich alle paar Meter anhalten, um kurz zu verschnaufen. Sehr steil und immer sind Steine und Äste im Weg. Und wenn es ausnahmsweise einmal flacher wird, dann ist alles matschig. Und immer wieder doch noch nicht oben. Und wieder eine Rampe. Als es dann doch endgültig flacher wird, muss ich mich erst einmal ins Gras legen und ausruhen.

Der Passo del Roccollo, den ich als Pass überhaupt nicht wahrnehme und ohne Ehrfurcht einfach darüber wegrolle, markiert den Beginn eines Fahrweges. Wir kommen an die Autostraße, links geht es zum Rifugio Sorgenti del Piave, aber es ist zu früh, um ins Quartier zu gehen und wir haben außerdem noch genug Zeit zum Weiterfahren und das machen wir auch.

Wir fahren weiter, die Straße stürzt sich schnell Richtung Tal, und ehe ich Stopp rufen kann, ist Michael schon außer Hörweite und hinter der nächsten Kurve verschwunden. Es wäre an der Gabelung links weitergegangen.

Ohne Papierkarte bist du in den Bergen aufgeschmissen

Es ist absehbar, dass es eine Weile dauern wird, bis wir wieder beieinander sind. Jetzt zeigt es sich auch, dass es nicht besonders schlau war, Michael die Karten in den Rucksack zu geben. Notgedrungen mühe ich mich mit der für eine Übersicht ungeeigneten Karte am Navi ab, und komme zu dem Ergebnis, dass es keine Alternative ist, Ihm hinterherzufahren. Er muss wieder hoch zu uns.

ein Mountainbiker sucht nach einer Internetverbindung
auf der Suche nach Internet oder Telefonnetz

Telefonisch können wir Michael nicht zu erreichen, wir müssen warten, bis er seinen Fehler selbst bemerkt. Bis er dann wieder oben ist, kann es eine Weile dauern.

Eine Übernachtung für heute haben wir noch nicht und jetzt ist doch eine gute Gelegenheit, um sich darum zu kümmern. Gute Idee, aber schwer umzusetzen. Ich habe überhaupt kein Internet und Roman hat nur eine schlechte Verbindung. Irgendwann klappt es dann aber doch noch und wir wissen, dass wir im Hotel Scarpone in Forni Avoltre unser Haupt betten können. Und auch der Kontakt zu Michael lässt sich irgendwann über eine SMS herstellen.

Zuletzt gibt es auch heute wieder noch eine besondere Abfahrt. Das letzte Stück vom unscheinbaren Passo Avanza hinunter nach Forni Avoltri wird mit „Kopf ausschalten und auf die Löcher achten“, ein wilder Ritt auf dem noch ganz brauchbar erhaltenen Kopfsteinpflaster einer hundertjährigen Militärstraße.

Hotel Scarpone
Corso Italia, 16
33020 Forni Avoltri
+39 0433 727463

4. Tag

28,00 km – 1079 hm – 1303 hm tief – 3:42 Std in Bewegung
Forni Avoltri 877 m – Forcella Moraret 2120 m – Timau 822 m

Unser Zimmer im Hotel Scarpone geht direkt zur Straße. Viel zu früh kommt der erste LKW und ich bin ich wach. Wenn ich das offene Fenster schließe, ersticke ich.

Forni Avoltri liegt in einem Kessel und beim Losfahren findet mein Navi kein Signal. Das gab es bei diesem Garmin-Modell noch nie. Auch weiter oben mit freier Sicht zum Himmel kann keine Position errechnet werden. Ich prüfe den Sitz der fast neuen Batterien, starte das Gerät noch einmal, nichts. Ich bin praktisch blind und aufs Höchste irritiert.

zwei Biker sitzen entspann vor einer Kaffebar
wir lassen den Segen wirken

Nach unserer guten Erfahrung mit dem Heiligen San Lucano möchten Roman und Michael eine Kerze anzünden. Aber erst in Sigilletto gibt es eine vernünftige Kirche mit einer Bar gegenüber. Die beiden zünden eine LED-Kerze an, wir trinken einen Espresso … und Maria hat geholfen. Mein Gerät findet die aktuelle Position und funktioniert für den Rest der Tour wieder zuverlässig. Zweifler werden einwenden, dass es auch daran liegen könnte, dass ich den kompletten Batteriesatz ausgewechselt habe.

Ein Restrisiko gehört zum Leben

Der Fahrradtacho und das GPS zeigen auf 1570 m Höhe noch +35 °C an
auf 1570 m Höhe hat es immer noch +35° C

Inzwischen ist es wieder sehr heiß geworden, in der Spitze sind es 40 °C, und immer weiter geht es bergauf in Richtung Rifugio Marinelli. Der erste Teil auf Asphalt ist noch fahrbar, danach kommt Schotter mit 15-17 % und ich schiebe wieder einmal. Den Helm habe ich schon lange abgenommen. Plötzlich schlägt kurz vor mir ein kopfgroßer Stein auf den Weg, springt wieder auf und hüpft und rollt weiter den Abhang hinunter. Bis ich reagieren kann, ist es schon wieder vorbei. Einer aus einer Gruppe Wanderer hat auf dem Weg über mir Steine losgetreten. Das war eine Warnung, ich setze auch zum Schieben meinen Helm wieder auf.

Auf einem schönen Weg ins Val Grande nach Timau in den Karnischen Alpen
Auf dem Weg ins Val Grande nach Timau

Am Rifugio legen wir eine kleine Trinkpause ein und machen uns dann an die schöne und kurvenreiche Abfahrt nach Timau. Der Weg ist oben schmal und steinig, später wird er breiter, steinig bleibt er. Wir erreichen die Hauptstraße und können sie fürs Erste leider nicht verlassen. Es gibt wenig Verkehr, aber ich würde gerne so schnell wie möglich wieder runter von ihr. Eine erste Möglichkeit ist zu steil, die Zweite, immer noch steil, fahren wir, aber es ist der Mühe nicht wert.

Die in der Karte eingezeichnete Römerstraße finden wir nicht. Wir suchen nach ihr, aber es gibt kein Durchkommen, alles zugewachsen. Schade, ich hätte sie gerne gesehen.

Wieder auf der Hauptstraße sausen wir nach Timau hinunter. Am Ortseingang treffen wir drei Bikerinnen auf Quartiersuche. Wir nehmen Sie mit zu unserem Albergo da „8“ wo Sie ebenfalls unterkommen. Am Abend und in der Nacht regnet es stark.

Albergo Ristorante „da Otto“
Via Maria Plozner Mentil, 15
33020 Timau
+39 0433 779002

5. Tag

19,90 km – 1314 hm – 406 hm tief – 4:43 Std in Bewegung
Timau 822 m – Passo Pramosio / Kronhofer Törl 1792 m – Zollnersee-Hütte 1738 m

Nach dem Frühstück fahren wir zwei km eben im Tal dahin, um dann in Laipacco nach links abzubiegen und die vielen Kehren hinauf zum Rifugio C.ra Pramosio und von dort weiter zum Passo Pramosio (Kronhofer Törl) in Angriff zu nehmen.

Die Straße ist gut fahrbar, selbst als sie später in Schotter übergeht. Die Steigung ist gleichmäßig und bleibt meist unter 10 %, die Piste immer im schattigen Wald, wunderbar. Vereinzelt überholen uns Autos, je länger wir unterwegs sind, desto mehr werden es.

Das Rifugio Casera Pramosio an der Grenze von Italien und Österrreich
Das Rifugio Casera Pramosio

Die Erklärung ist ein großer Parkplatz oben am Rifugio, welcher sich langsam füllt. Wir machen Pause, trinken etwas und schauen den anderen Gästen zu. Von hier ist es ist nicht mehr weit zum Kronhofer Törl, dem Grenzpass hinüber nach Österreich. Um uns herum Wanderer und Spaziergänger, welche alle dem Ricovero casera Pramosio alta auf 1940 m zustreben. Wir sind die einzigen, welche den Abzweig zum Passo Pramosio nehmen und sofort sind wir wieder alleine.

Letzte Nacht hat es auch hier geregnet, aber über der Baumgrenze ist nichts von einer Abkühlung zu spüren. Und wieder einmal sind wir an der ehemaligen Front, was auch die gute Straße hier hoch erklärt.

Am Grenzpass war ein Grenzübergang nicht vorgesehen

Der Grenzkamm ist an zwei Stellen mit einem Tunnel durchgestochen. Einer gibt den Blick hinunter ins Tal nach Österreich frei, während der andere durch den Berg hindurch direkt in den Schützengraben führt. Auch Reste von Stacheldraht sind zu finden. Aber jetzt ist es hier ganz friedlich, die Sonne scheint, ein leichter Wind bewegt die Gräser und wir machen nach unserer verdienten Brotzeit ein wenig die Augen zu.

Einer der beiden Militärtunnel am Kronhof Törl
Beobachtungstunnel aus dem 1. Weltkrieg am Kronhof Törl

Bis hierher war der Weg breit, und mit ein wenig gutem Willen auch mit dem Auto fahrbar. Mit dem Überqueren der Grenze ändert sich das schlagartig. Der Sentiero 403 – auch als Karnischer Höhenweg, Via Alpina oder Pramosioweg bezeichnet – ist ein schaler Pfad, unfahrbar, teilweise so dicht am Abgrund, dass ich froh um das Gebüsch bin, welches mir den Blick nach untern verstellt und mich im schlimmsten Fall auffangen könnte. An einer Stelle ist der Weg etwas ausgebrochen und wir müssen die Räder in Teamarbeit weitergeben. Etwas weiter geht der Pfad steil und zusätzlich glitschig hinunter.

Die Grüne Grenze am Kronhof Törl
Grüne Grenze am Kronhof Törl

Wir sind erleichtert, als der 403er nach zwei Kilometern in einen Fahrweg übergeht. Zur Zollnerseehütte ist es nicht mehr sehr weit. Inzwischen hat es leicht zu regnen begonnen, aber es ist noch so warm, dass ich die Jacke nicht anziehen möchte.

Zwei Biker überwinden ein fehlendes Stück der Via Alpina wie der Karnische Höhenweg hier auch heißt
Das ein Stück Weg fehlt sieht man. Dass es auch ein Stück runter geht sieht man nicht.

Wir erreichen die Hütte und bekommen ein Quartier im Lager. Die Wirtsleute sind nett, das Essen ist gut und die Nachspeise hervorragend. Michael beschließt, hier auf der Hütte, in den Österreichischen Alpenverein einzutreten. Wir haben viel Spaß damit, dass er nun ein Obergailtaler ist und hier seine Heimathütte hat.

Zollnerseehütte
+43(0)676/9602209

6. Tag

56,20 km – 1032 hm – 2442 hm tief – 5:15 Std in Bewegung
Zollnersee-Hütte 1738 m – Straniger Sattel 1578 m – Passo del Cason di Lanza 1552m – Sella Cereschiatis 1072m – Moggio Udinese 338 m

Die Nacht im Lager habe ich kaum geschlafen, aber ich war selbst daran schuld. Die Nachspeise war wirklich so unvergleichlich gut, dass wir alle die Köchin dafür gelobt haben. Diese hat daraufhin einen Nachschlag angeboten, und obwohl ich so vollgefressen war, konnte ich aus Höflichkeit nicht ablehnen und war danach kurz vor dem Platzen, da hat der Schnaps auch nicht mehr geholfen.

in der Bildmitte liegt die Zollnerseehütte mit der Friedenskapelle
Von der Zollnerseehütte mit der Friedenskapelle sind wir nach dem Frühstück losgefahren.

Wir können um 6:30 frühstücken, prüfen und wechseln noch teilweilweise die Bremsbeläge und kommen kurz nach 8:00 los. So zeitig sind wir selten dran. Besonders weit sind wir noch nicht gekommen als sich Michael und Roman hinunter in die Sackgasse bei der Ochsenalm stürzen. Der Hüttenwirt hatte uns noch gewarnt. Bis die beiden wieder oben sind, nutze ich die Zeit um meine Notizen von gestern etwas nachzutragen.

Nachdem wir wieder beisammen sind, biegen wir in einen vielversprechenden Wiesentrail ein, welcher leider viel zu schnell unfahrbar wird. Bei der nicht weit entfernten Ahornachalm kommen wir wieder auf einen Fahrweg. Wir gewinnen an Höhe, trinken bei der Waidegger Alm einen Kaffee und fahren anschließend wieder immer weiter ab zum tiefer liegenden Straniger Sattel.

Auch der „Super Giro Dolomiti“ führt durch die Karnischen Alpen

Eine Kuppe weiter und wir kommen beim Agriturismo al Cippo auf Asphalt und schon sind wir am Passo del Cason di Lanza mit dem gleichnamigen Rifugio di Lanza.

Der Pass ist unter Rennradlern auch wegen des „Super Giro Dolomiti“ bekannt und so waren wir drei Mountainbiker am Rifugio di Lanza unter den vielen Rennradlern deutlich in der Minderheit.

Rifugio di Lanza, der Rennradlertreff
Rifugio di Lanza.

Vom Rifugio aus rauschen wir, gefühlt unendlich lange, die fast 1.000 hm durchs Val Pontebba hinunter in die namensgebende Stadt.

Pontebba liegt auf 560 m. Für uns, die wir aus den Bergen kommen, ist es hier unerträglich heiß. Es weht auch nicht der leiseste Wind, sodass wir ohne Pause sofort wieder weiterfahren.

Unser vorläufiges Ziel ist das Val Fella, welches in einiger Entfernung quer vor uns liegt. Diese Hauptachse des Autoverkehrs kann man auf zwei Straßen erreichen. Wir wählen den Weg über das Val d’Aupa, welches höher liegt, also vielleicht auch etwas kühler ist und vermutlich wesentlich weniger Verkehr hat.

Im ganzen Val d’Aupa gibt es jedoch keine Übernachtungsmöglichkeit und so haben wir noch eine weite Strecke vor uns. Von Pontebba aus ist es ein gleichmäßiges Hochkurbeln mit 6-7 % auf Straße, zwar immer bei 30 °C, aber bei geringer Geschwindigkeit gut machbar. Durch die moderate Steigung ist auch alles fahrbar, nur der Hintern muss ab und an vom Gewicht des Rucksacks entlastet werden.

Keine Trail in Sicht, dafür ein hochwillkommener Badeplatz

Die Sella Cereschiatis mit 1072 m markiert den höchsten Punkt. Ab hier geht es lange, lange hinunter ins Tal. Leider alles auf Straße. Während der Tour Planung habe ich diesen Streckenabschnitt lange studiert, aber auf der Karte keine Alternative zum Asphalt gefunden. Bei der Abfahrt kommen wir durch keine Ortschaft und obwohl die Straße in wirklich gutem Zustand ist, gibt es hier keinen Verkehr.

Der Fahrwind kühlt und dennoch ist gleichzeitig die Hitze zu spüren. Ungefähr auf halber Strecke mündet ein Bach in die Aupa. Von der Straße aus nicht einsehbar finden wir, wie so oft auf unseren Touren, einen Badeplatz zum Planschen und abkühlen.

zwei Biker sitzen nach einem anstrengenden Tag beim Bier
Moretti, unser Ankommen Bier in Moggio Udinese

Moggio Volinese, der erste Ort durch welchen wir kommen werden, liegt noch einmal tiefer als Pontebba. Wir sind nun auf 350 m Meereshöhe angekommen und die Hitze hat uns wieder. Bevor wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft machen, schlecken wir erst einmal ein großes Eis.

Im „Locanda San Gallo“ kommen wir bei einer etwas verwirrt wirkenden Dame unter.

Locanda San Gallo
Piazzetta Sandro Pertini, 2
33015 Moggio
+39 0433 550318

7. Tag

60,13 km – 1707 hm – 1816 hm tief – 7:40 Std in Bewegung
Moggio Udinese 338 m – Sella Carnizza 1086 m – Kobarid 240 m

Wir erreichen und überqueren am Morgen schnell die Autobahn und sind ein kurzes Stück auf der jetzt noch schwach befahrenen Hauptstraße nach Udine. Eher zufällig sehen wir den parallel laufenden Radweg auf der alten Bahntrasse, nehmen ihn dankbar an und fahren durch einen langen Tunnel mit gutem Belag und LED Beleuchtung die zwei Kilometer nach Resiutta. Im Ort versucht Michael noch einmal eine Speicherkarte für seine Kamera zu bekommen, erfolglos.

Auf der wenig befahrenen SP 42 fahren wir lange leicht bergauf an der Resia entlang durch das Resia Tal. An der Weggabelung vor dem Ort mit dem wohlklingenden Namen Gniva Njiwa biegen wir rechts ab und sind nun auf dem Weg zur Slowenischen Grenze. Es wird steiler und wir kommen zu der Häuseransammlung Case Sabran, wir wundern uns darüber dass es diesen Ort gibt so trostlos ist hier alles. Nach dem Ort beginnt die alte Passstraße, Autos sind erlaubt und wir werden immer wieder mal von einzelnen überholt.

Eine improvisierte Brotzeit am Sella Carnizza
Brotzeit am Sella Carnizza

Es ist steil und oben am Sella Carnizza angekommen bin ich völlig durchgeschwitzt. Wir essen etwas von den Vorräten aus dem Rucksack und fahren dann noch die paar hundert Meter weiter zu einem Biker-stopp, wo wir ein Radler trinken. Unsere Straße geht jetzt einspurig, kurvenreich und sanft abfallend weiter.

Die alte und schmale Paßstraße nach Slovenien
die alte Straße zur Slovenischen Grenze

Offiziell dürfen auch hier Autos fahren, aber wir begegnen nur einem Einzigen auf der weiteren Strecke zur Grenze. Wir sind praktisch allein und es ist eine Freude hier zu fahren.

Ich sehe meine ersten Adler in Freiheit

Der Grenzübergang nach Slowenien liegt im Tal der Učja. Von Italien sind wir aus der Höhe abgefahren und nach dem Überfahren der Grenze zieht die Straße sofort wieder hoch. Die ersten zwei oder drei Kilometer sind wir alleine auf einer Hauptstraße, dann biegen wir scharf rechts in eine alte Militärstraße ab.

Ich erkenne sie gleich wieder. Vor über zehn Jahren bin ich hier schon einmal mit dem Mountainbike von oben gekommen. Die Straße mit dem Rad hochzufahren geht jedoch nicht. Diese Mischung aus grobem Untergrund und Steilheit kostet unglaublich Kraft. Aber schieben geht gut.

Überraschenderweise kommen uns insgesamt drei Fahrzeuge entgegen. Ohne Allrad geht das nicht. Das letzte Fahrzeug ist ein zum Wohnmobil umgebauter Militär Kastenwagen, der sich langsam seinen Weg zwischen den Schlaglöchern sucht. Offensichtlich ist die Piste unter Offroad-Freunden bekannt.

Wir befinden uns oberhalb der Baumgrenze und es geht nun eine Weile traumhaft schön über den Bergrücken des Stol. Als ich scheinbar ohne besonderen Grund den Kopf hebe, segeln drei Adler, ich sehe die „Fingerfedern“ an ihren Flügelspitzen deutlich, in geringer Höhe lautlos und ohne jede Bewegung über mich hinweg. Weit unten liegt das Tal.

Am vorläufig höchsten Punkt, der Grenzübergang liegt schon wieder 800 hm weiter unten, besprechen wir, wie es heute weitergehen soll. Uns rennt die Zeit weg, wir haben noch keinen Schlafplatz und wir sind noch lange nicht im Soca Tal. Um unsere Chancen auf ein Quartier zu erhöhen, ändern wir die Planung und möchten nun nach Kobarid abfahren.

Ein Biker auf dem Ausläufer des Stol, hoch über dem Soca Tal
auf dem Ausläufer des Stol

Mit Fat-Bikes im Gelände

Wenig später tauchen wir wieder in den Wald ein und kommen auf dem Weg ins Tal aus der sanften Schönheit in einen steilen und völlig unfahrbaren Abschnitt. Weg wäre das falsche Wort. Die Strecke ist wohl nur an die fünfhundert Meter lang, aber diese fünfhundert Meter sind steil, rutschig und bieten wenig Halt.

Wir hören Stimmen,  von unten kommt uns jemand entgegen. Es sind zwei Jungs aus Deutschland, die sich mit ihren völlig überladenen Fad Bikes den Abhang hinauf quälen. Zu zweit wuchten sie eines der Räder ein paar Meter nach oben, dann holen sie das zweite Rad nach, und immer so weiter.

Zu allem Überfluss haben sie keine festen Schuhe, sondern nur Sandalen an den Füßen und somit kaum einen Halt im Gelände. Sie berichten, dass weiter unten Bäume über den Pfad gestürzt sind und man sich seinen Weg suchen muss. Wir sind froh, als wir endlich aus diesem Waldstück wieder heraus sind.

Ein tiefer Blick hinunter in das Tal der Soca
Das Tal der Soca

Es ist kurz vor 20:00 Uhr, als wir Kobarit erreichen. Die Suche nach einem Bett wird nicht einfach, hier sind ungewohnt viele Touristen, alles ist voll. In die Tourist Information kann uns nicht helfen, wir müssen selbst sehen was geht. Draußen wird es dunkel als wir im Hotel Hvala einchecken.

Mein Zimmer liegt direkt unter dem Dach und hat sich den Tag über aufgeheizt. In der Nacht ist es so warm, dass ich den Tischventilator einschalte und mich bei offenem Dachfenster nackt und ohne Decke auf das Bett lege. Es dauert lange, bis ich einschlafe.

Hotel Hvala
Trg svobode 1
5222 Kobarid – Slowenien
+386 5 389 93 00

8. Tag

Ruhetag

Heute haben wir einen Ruhetag eingelegt. Wir hatten gedacht, dass wir hier ohne Rucksack vielleicht noch eine kleine Extrarunde fahren könnten. Wer weiß, wann wir wieder herkommen? Aber wir waren dann doch nur zum Wasserplanschen an der Soca und haben den Tag mit Genuss vertrödelt. Beeindruckend war das Museum zu den Schlachten hier im 1. Weltkrieg. Man sollte sich das ansehen. Unglaublich und bedrückend war der Unterschied zwischen den offiziellen Meldungen der Offiziere und den Feldpostbriefen der Soldaten

9. Tag

23,10 km – 553 hm – 350 hm tief – 2:47 Std in Bewegung
Kobarid 240 m – Bovec 454 m

Wir fahren das nun schon gut bekannte Stück links der Soca flussaufwärts in Richtung Bovec, im Hinterkopf den Gedanken es vielleicht heute über den Vršič-Pass zu schaffen.

Direkt beim „Alpin Action Kajak Hostel“ führt eine Hängebrücke auf die andere Seite, die Soca unter zeigt sich wild und ist allemal ein Foto wert. Jeder auf der Brücke fotografiert, und dann sehe ich, wie Romans Fotoapparat wie ein langer Strich senkrecht nach unten fällt. Und ich sehe auch genau die Stelle, wo die Kamera eintaucht. Roman sucht lange nach ihr, er hat die Hoffnung, dass er wenigstens den Chip mit den Bildern der Tour retten kann, aber die Strömung ist hier sehr stark, die Kamera findet sich nicht mehr.

das türkisfarbene Wasser der Soca
die Soca

Die Fotoausbeute wird dieses Jahr nicht so üppig ausfallen. Der Speicher von Michaels Fotoapparat ist schon seit Tagen voll und die Kamera von Roman taucht seit eben in der Soca.

Wir sind jetzt auf dem Alpe-Adria-Trail und der ist spätestens seit dem Golfplatz nicht mehr fahrbar. Es geht viel Zeit verloren mit dem sinnlosen schieben auf einem zum Fahren wirklich nicht geeigneten Pfad. Wir beschließen deshalb, den Track zu verlassen und möglichst direkt nach Bovec abzukürzen. Den Vršič-Pass schaffen wir heute nicht mehr, das war wohl von Anfang an eine Illusion, also suchen und finden wir im Hotel Alp eines der letzten Zimmer in Bovec. Wir checken um 13:00 ein. Genau genommen ein Zweiter, wenn auch ungeplanter, Ruhetag.

Am Abend sitzen wir draußen bei einem Glas Wein und sehen anderen Touristen bei der Zimmersuche zu. Viele Autos fahren durch den Ort, Hin und Her, und immer wieder dieselben.

Hotel Alp
Trg golobarskih žrtev 48
5230 Bovec – Slowenien
+386 5 388 40 00

10. Tag

49,73 km – 1341 hm – 968 hm tief – 5:09 Std in Bewegung
Bovec 454 m – Vršič-Pass 1611 m – Podkoren 850 m

Heute soll es über den Vršič-Pass nach Kranjska Gora gehen. Wir frühstücken um 7:00 und kommen zeitig los. Draußen ist es noch kühl und es ist wenig Verkehr. Auf den nächsten zwanzig Kilometern hat die Straße nur eine sehr moderater Steigung und wir kommen fast ohne Anstrengung allmählich höher.

Nach dem Örtchen Trenta beginnt der eigentliche Anstieg zum Vršič-Pass. Wir gönnen uns dort noch eine Kaffeepause und dann geht es los. Die erste Kehre wird mit 50 nummeriert, und das finde ich nun doch etwas einschüchternd. Auf der Passhöhe wird es sich herausstellen, dass die 50 Kehren für die gesamte Passstraße gelten, also hoch und auch wieder hinunter.

Auf der Paßhöhe des Vrsic. Der höchste Straßenpass in Slowenien
Auf der Paßhöhe des Vrsic

Oben wird wild geparkt und nahezu jede Frau fotografiert entzückt die wenigen Schafe beim Kiosk. Etwas oberhalb der Passhöhe liegt die gut besuchte Hütte Tičarjev Dom na Vršiču. Wir essen, halten uns hier aber nicht länger auf.

Bei der Abfahrt auf der Asphaltstraße suchen wir nach Trails, aber die wenigen Möglichkeiten, die wir finden sind, zu schwer uns so fahren wir immer weiter ab. Erst viel weiter unten, bei der „Russische Kapelle“, können wir ein erstes Mal die Straße kurz verlassen. Es dauert dann aber doch noch ein paar Kehren, bis wir die Autos endgültig hinter uns lassen können.

Kiesbett der Pisnica in Slowenien
Das Kiesbett der Pisnica im August

Wir stoßen auf den Fluss Pišnica, er hat jetzt viel Kies und nicht sehr viel Wasser. Bei der Schneeschmelze geht es hier sicher zur Sache, aber jetzt ist es warm und wir queren das Flussbett ohne Schwierigkeiten. Ein paar Kilometer geht es nun sehr schön am Fluss entlang, bis wir mit dem Jasna-See die Ausläufer von Kranjska Gora erreichen.

Badefreuden am eiskalten See

Es ist ein warmer Tag und viele Menschen bevölkern den Platz. Im Wasser sieht man nur sehr wenige baden, und diese wenigen sind Kinder und Jugendliche. Das Erste, was Michael sagt, als das sieht, ist: „Das Wasser ist kalt“. Wie Recht er damit hat. Ich stehe ich mit den Füßen im Wasser und meine Zehen werden so kalt das es leicht schmerzt. Als meine Unterhose, die mir als Badehosenersatz dient, versehentlich nass wird, springe ich ganz hinein und schwimme ein paar Züge. Wirklich erfrischend, aber Hallo. Und auch wenn ich respektvolle Blicke ernte, lange bleibe ich nicht.

Die Stimmung am See ist sehr entspannt und es zieht uns vor zum Kiosk. Wir schauen dem Treiben zu und trinken Dosenbier.  Roman bemüht sich um eine Unterkunft in Kranjska Gora, aber es ist chancenlos, auch dort ist alles voll. Schließlich kommen wir ein paar Kilometer außerhalb, im Hotel Vitranc in Podkoren unter. Es wird unser bisher teuerste Übernachtung.

Hotel Vitranc
Podkoren 94
4280 Kranjska Gora – Slowenien
+386 4 580 95 20

11. Tag

56,14 km – 775 hm – 1079 hm tief – 5:03 Std in Bewegung
Podkoren 850 m – Bergsturz – Podkoren – Wurzenpass 1073 m
– Villach 500 m

Heute werden wir Villach erreichen und mit der Bahn zum Auto zurückfahren. Als wir am Morgen starten, regnet es, nicht stark, aber stark genug für das komplette Regenprogramm. Auf der alten Bahntrasse, jetzt wie so oft ein Radweg, fahren wir schnell nach Osten ins Tal hinab, es läuft von alleine.

Bei dem Weiler Podkuze verlassen wir den Radweg, fahren ein paar Hundert Meter auf der Hauptstraße zurück und machen uns an die Auffahrt zum Annahüttensattel auf 1580 m. Gleich am Abzweig steht ein Verbotsschild mit für uns unlesbarem Text. Wir beschließen weiterzufahren.

Wir sind jetzt im Bärenland

Ich ziehe noch mein Regenzeug wieder aus und komme als Letzter nach. Nach einem leichten Anstieg hängt ein Plakat an einem der Bäume. Man sieht darauf zwei Bären, vermutlich Mutter und Kind, die auf der Forststraße daherkommen. Die Mama, groß wie ein Fiat 500, kommt zielstrebig auf den Betrachter zu.

Hinweistafel "Bärengebiet"
Wir jetzt im Bärenland

Das fand ich jetzt nicht mehr lustig und ich war angespannt. Roman, den ich später wieder einholte, fand die Anwesenheit von Bären nicht beunruhigend. Die tun uns nichts, meint er. Beruhigt hat mich das nicht. Etwas angespannt fahre ich weiter.

Nach einigen Kehren lehnt ein Rad und ein Rucksack in einer Kurve. Als Nächstes sehe ich, dass der Weg fehlt, ein Erdrutsch. Das Dritte, was ich zur Kenntnis nehme, ist ein Mensch mit blutigem Hemd mitten im Geröll. Blut, der Bär, der Erdrutsch??

Bergrutsch in der Nähe von Podkuze
Der Bergrutsch hat unseren Weg zum Annahüttensattel mitgenommen

Es dauert einige Sekunden, bis ich in dem Menschen Michael erkenne, er trägt das (unsägliche) MTB Shirt vom Biketeam Regensburg, zackiges Rot auf weißem Grund.

Ein Bergrutsch hat unseren Weg mitgenommen und Michael steht im Geröll, weil er nach einer Passage gesucht hat. Es gibt aber kein halbwegs sicheres Durchkommen. Nach längerer Diskussion und Abstimmung darüber, was wir machen können und wollen, kehren wir um. Das Schild hat uns also nicht vor dem Bären gewarnt. Vielleicht sollten wir doch ein Wörterbuch auf unsere Touren mitnehmen?!

Wenn man möglichst viel fahren möchte, war an diesem Punkt laut Karte der Annahüttensattel der einzige sinnvolle Übergang von Slowenien nach Österreich. Weiter östlich kommen hohe Berge, weiter westlich gibt es keine fahrbaren oder sogar gar keine Verbindungswege.

Und dann auch noch Stiere

Wir müssen umplanen. Für eine Passage nach Österreich kommt jetzt nur noch die Straße über den Wurzenpass infrage. Also erst einmal wieder alles zurückfahren zum Hotel. Und von da aus zum Pass hoch. Um dem Verkehr möglichst auszuweichen, benutze ich ausnahmsweise das Autorouting, welches uns abseits der Straße sicher bis kurz vor die Passhöhe führt.

Allerdings gibt es noch einen weiteren kleinen Aufreger.

„Stierweide – Durchgang verboten“ steht auf dem Schild. Mit einem etwas mulmigen Gefühl gehe ich durch. Im steilen waldigen Gelände sind keine Tiere zu sehen, was nicht heißen muss, dass keine Tiere da sind. Dann doch, Kühe und einjährige Bullen. Das ist OK.

Am Grenzübergang auf der Passhöhe werden die wenigen Fahrzeuge bei der Einreise alle kontrolliert. Wir mit unseren Rädern werden nicht beachtet. Gleich hinter der Grenze machen wir auf Österreichischen Seite im Wirtshaus halt und ich nutze die Gelegenheit das Navi so einzustellen, dass es bei der Abfahrt nach Alternativen zur Straße sucht.

Es klappt und ich bekomme immer neue Varianten vorgeschlagen. Aber an einem letzten Tourentag und mit dem Bahnhof im Kopf ist ein Ausweichen ins Gelände hier oben noch nicht sinnvoll. Erst fünf steile Kilometer Wegstrecke später kommt ein passender Vorschlag und wir können kurz vor Riegersdorf die Straße verlassen.

Auf Nebenwegen kommen wir zum Bahnhof.

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